In der Winterzeit macht die Polizei regelmässig Kontrollen, ob die Scheiben der Autos genügend enteist wurden. Streng bestraft werden dabei die sog. „Gucklochfahrer“, welche sich lediglich ein kleines Guckloch in der Frontscheibe des Autos freikratzen. Derartige Fahrzeuglenker werden auch als Iglu-Fahrer oder Eskimo-Fahrer bezeichnet und weisen ein hohes Gefährdungspotential im Strassenverkehr auf.
Doch welche Scheiben beim PKW müssen überhaupt freigekratzt werden? Und wie ist es mit dem Autodach und der Motorhaube, müssen diese vom Schnee befreit werden? Besteht eine allgemeine Winterreifenpflicht in der Schweiz während den Wintermonaten? Auf all diese Fragen bezüglich Autofahren in der Winterzeit werde ich im Folgenden ausführlich eingehen.
Welche Scheiben beim Auto müssen komplett eisfrei sein?
Die Frontscheibe und die beiden vorderen Seitenscheiben müssen immer komplett eisfrei sein. Sind die Fahrzeugscheiben also vereist, so müssen die Frontscheibe und die beiden vorderen Seitenscheiben freigekratzt werden. Auf die beiden hinteren Seitenscheiben und die Heckscheibe kann verzichtet werden, sofern zwei Aussenspiegel am Fahrzeug angebracht sind, welche die Sicht nach hinten ermöglichen, also nicht beschlagen oder vereist sind.
Zu diesen klaren Regeln gibt es auch ein gut verständliches Merkblatt Winterzeit der Kantonspolizei St. Gallen, auf das ich hier gerne verweise. Mit einem Klich auf das Bild, kann man sich das Merkblatt in der grossen Version anschauen.
Zwingend müssen also die Frontscheibe sowie die beiden vorderen Seitenscheiben eisfrei sein. Zudem müssen die beiden äusseren Seitenspiegel klare Sicht nach Hinten ermöglichen. Es empfiehlt sich natürlich, für den vollen Überblick sämtliche Scheiben komplett freizukratzen – auch für kurze Fahrten und auch wenn die Zeit drängt. Tangierte Rechtsnormen sind v.a.: Art. 29 SVG (Strassenverkehrsgesetz) und Art. 57 Abs. 2 VRV (Verkehrsregelverordnung).
Muss das Dach des Autos vom Schnee befreit werden?
Ja, es muss grundsätzlich das gesamte Auto vom Schnee befreit werden, auch das Dach, die Motorhaube, die Nummernschilder (= Kontrollschilder) sowie auch die Lichter wie etwa Front-Scheinwerfer, Rücklicht, Bremslicht, Blinker usw. (siehe Art. 29 SVG sowie Art. 57 Abs. 2 VRV). Der Grund, wieso der Schnee vom Autodach entfernt werden muss, ist, dass der Schnee bei einer Bremsung auf die Frontscheibe rutschen oder bei schneller Fahrt den nachfolgenden Verkehrsteilnehmer behindern könnte.
Rechtliche Konsequenzen bei Nichtbefolgen:
Das Bundesgericht hat schon mehrfach bestätigt, dass jemand, der nur mit einem Guckloch Auto fährt, durch die stark eingeschränkte Sicht sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer gefährdet und deshalb grobfahrlässig handelt. Bei einem Unfall ist die Versicherung aufgrund der grobfahrlässigen Schadensverursachung berechtigt, die Leistungen zu kürzen und auf den Unfallverursacher Rückgriff zu nehmen. Gucklochfahren ist also gefährlich und teuer.
Dies wurde auch bei einem Gucklochfahrer-Entscheid aus dem Kanton Schaffhausen vom Bundesgericht bestätigt, bei dem das Schaffhauser Obergericht von Grobfahrlässigkeit bei Gucklochfahren ausgegangen ist. Ein Autofahrer war am 2. Februar 2006 auf der Schaffhauserstrasse in Beringen von der Schaffhauser Polizei angehalten worden. Die Frontscheibe seines Autos war mit einer Eisschicht bedeckt. Nur auf Augenhöhe hatte er ein Guckloch von rund 15 x 25 Zentimeter Grösse freigekratzt. Die Seitenscheiben waren ebenfalls vereist.
Das Schaffhauser Obergericht sprach ihn dafür 2008 der groben Verkehrsregelverletzung aufgrund des Führens eines nicht betriebssicheren Autos schuldig. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen à 100 Franken und 400 Franken Busse. Das Bundesgericht hat den Entscheid des Obergerichtes Schaffhausen am 16. Januar 2009 bestätigt und die Beschwerde des Autofahrers abgewiesen (Die Meldung der Schaffhauser Polizei SHPol dazu kann hier online eingesehen werden).
Wer mit eingeschränktem Sichtfeld Auto fährt, dem droht nicht nur eine Busse, er muss auch damit rechnen, dass ihm der Führerausweis entzogen wird. Bei einem völligen Verzicht auf das Enteisen ist von einer schweren Widerhandlung auszugehen und mit einem Entzug des Führerscheins von mindestens drei Monaten zu rechnen (Art. 16c Abs. 2 lit. a SVG). Bei einer mittelschweren Widerhandlung wird der Führerschein für mindestens einen Monat entzogen (Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG). Die Mindestentzugsdauer darf auch bei ungetrübtem automobilistischem Leumund nicht unterschritten werden.
Besteht in der Schweiz eine Winterreifenpflicht?
Eine explizite Gesetzesnorm, welche eine generelle Winterreifenpflicht in den Wintermonaten vorschreibt, existiert in der Schweiz nicht. Es gibt jedoch grundsätzliche Gesetzesnormen, welche die Winterreifen tangieren. Art. 29 SVG zur Betriebssicherheit besagt, dass Fahrzeuge nur in betriebssicherem und vorschriftsgemässem Zustand verkehren dürfen. Sie müssen so beschaffen und unterhalten sein, dass die Verkehrsregeln befolgt werden können und dass Führer, Mitfahrende und andere Strassenbenutzer nicht gefährdet und die Strassen nicht beschädigt werden.
Winterreifen wurden für Strasseneinsätze unterhalb von 7 Grad Celsius entwickelt und sind im Vergleich zu den Sommerreifen mit einer weicheren Gummimischung bestückt. Somit reduziert sich der Bremsweg und die Haftung auf nassen, vereisten und verschneiten Strassen wird verbessert.
In BGE 6S.17/2007 hielt das Bundesgericht fest, dass sich ein Fahrzeuglenker mit Sommerreifen im Winter auf verschneiten Strassen wegen der Verletzung der Artikel 29 und 31 SVG strafbar machen kann. Der betreffende Fahrzeugführer hätte die verschneite Strasse laut Bundesgericht mit seinen Sommerreifen nicht benutzen dürfen, da er mit diesen Reifen nicht angemessen auf die durch Schnee und Eis hervorgerufenen Gefahren reagieren könne. Bei Personen, welche zur Winterzeit ein Fahrzeug mit Sommerreifen lenken und in einen Strassenverkehrsunfall verwickelt sind, können die Haftpflicht- und Kaskoversicherungen ggf. Leistungen kürzen oder Kosten an den Fahrzeuglenker übertragen. Mögliche Konsequenzen sind zudem ein Führerscheinentzug von mindestens einem Monat sowie weitere Bestrafungen wie Bussen und Geldstrafen nach Tagessätzen.
Die Winterreifen müssen zudem eine Profiltiefe von mindestens 1.6mm aufweisen (Art. 58 Abs. 4 VTS – Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeugen).
Rechtsanwalt Beat Hochheuser, Schaffhausen im Februar 2015.