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Das Recht auf Vergessen im Internet – Schweiz

Das Internet vergisst nichts, so sagt man. Doch gibt es nicht ein gewisses Recht auf Vergessen?

Grundsätzlich lässt sich ein – in der Schweiz bis jetzt nicht sonderlich prominent diskutiertes – Recht auf Vergessen aus dem Persönlichkeitsschutz, verankert in Art. 28 ZGB (Zivilgesetzbuch), ableiten. Dieses Recht auf Vergessenwerden soll sicherstellen, dass (digitale) Informationen mit einem Personenbezug nicht dauerhaft zur Verfügung stehen.

Das Recht auf Vergessen im Internet
Das Recht auf Vergessen im Internet

Ein Beispiel:
Ursli  Kellerhals betreibt in Schaffhausen einen stadtbekannten Blog im Internet, auf welchem er über aktuelle Geschehnisse in der Munotstadt berichtet. Bei seinen Recherchen für neue Blogbeiträge durchforstet er auch häufig das Onlinearchiv der lokalen Zeitung: „Der tägliche Rheinfall“. Bei der Suche nach Informationen über die bereits einige Jahre zurückliegende Munotverschwörung stolpert er über einen Bericht, aus dem hervorgeht, dass sein Nachbar Hansi Wernli, wohnhaft an der Möcklistrasse 7, vor 16 Jahren eine unbedingte Freiheitsstrafe verbüssen musste.

Da Ursli ohnehin schon lange einmal einen kleinen Beitrag über die illustren Bewohner des Möckliquartieres in Schaffhausen verfassen wollte, packt er die Gelegenheit beim Schopf und berichtet in diesem Zuge auch über die längst abgesessene Freiheitsstrafe des Hansi Wernli.

Hansi Wernli ist über diese Erwähnung im bekannten Schaffhauser Blog natürlich nicht sehr erfreut und wendet sich an den auf das Internetrecht spezialisierten Schaffhauser Anwalt Isidor Tastenmann. Der gewiefte Internetanwalt Tastenmann sieht im Beitrag eine Verletzung der Ehre seines Mandanten durch die Erwähnung der 16 Jahre zurückliegenden Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe. Zudem ist durch die Erwähnung, welche Dritte erneut an einen längst passierten Vorfall erinnert, auch eine Verletzung der Privatsphäre des Hansi Wernli gegeben. Ein derartiger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte eines Menschen wiegt schwer und kann nicht als das richtige Mittel zu einem berechtigten Zweck qualifiziert werden. Nach kurze Recherche im Onlinearchiv des Bundesgerichtes findet Isidor Tastenmann auch noch den passenden Bundesgerichtsentscheid: BGE 122 III 449.

Um die Sache möglichst schnell und unkompliziert aus der Welt zu schaffen, kontaktiert Anwalt Tastenmann den Blogschreiber Ursli  Kellerhals, konfrontiert diesen mit seinen gewonnen Erkenntnissen und ersucht ihn um sofortige Löschung des Blogbeitrages. Kellerhals fällt aus allen Wolken, soweit hatte er in seiner Schreibeuphorie gar nicht gedacht. Er löscht den Blogartikel sofort aus seinem Internetblog. Hansi Wernli ist nicht erfreut, dass der Blogeintrag vor der Löschung sicherlich schon von ein paar Schaffhausern gelesen wurde. Gleichwohl ist er überaus froh und dankbar, dass die Angelegenheit so umgehend und unbürokratisch bereinigt werden konnte. Da Wernli selbst den Schaffhauser Blog sehr gerne liest und dem jungen Blog-Schreiber keine unnötigen Steine in den Weg legen möchte, verzichtet er auf weitere Schritte.

In seinem Antwort-Mail an Rechtsanwalt Tastenmann möchte Blog-Autor Kellerhals dann doch gerne noch wissen, ob es denn auch Situationen gebe, wo er einen solchen Blogbeitrag publizieren dürfte. Tastenmann schreibt ihm als Antwort, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse am Vorleben von Hans Wernli einen solchen Beitrag rechtfertigen könnte. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn Wernli für das Amt des Stadtpräsidenten von Schaffhausen kandidieren würde.

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Beim Artikel „Das Recht auf Vergessen – Internetrecht Schweiz“ handelt es sich um einen Beitrag vom 9. April 2014 für Schaffhausen.net, einem Internetportal, auf dem regelmässig Rechtsfragen behandelt werden. Die Frage wurde vom Schaffhauser Rechtsanwalt lic. iur. Beat Hochheuser beantwortet. Die Lösungsvorschläge sind für juristisch nicht geschulte Leser ausgelegt und loten deshalb selbstverständlich nicht jedes dogmatische Problem aus. Auf die Darstellung von Kontroversen in Lehre und Rechtsprechung wird in diesem Rahmen bewusst verzichtet. Die Erklärungen beschränken sich auf die Erörterung der grundlegendsten Fragen und beschreiben eine mögliche Lösung der Fragestellung. Die Erläuterungen gelten natürlich nicht nur für Schaffhausen, sondern für die gesamte Schweiz.